Podium zum Thema Kalkabbau in Lienen

Seit über 60 Jahren wird in Lienen Kalk abgebaut. Doch nun bangen die Calcis-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Zum Jahresende läuft die Genehmigung für den Kalkabbau im Teutoburger Wald aus. Ob der Regionalrat einem weiteren Abbau zustimmt, ist fraglich. Foto: Bettina Stockhausen-Rolek

Lengerich

Lienen (bsr). Verbreitete NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin auf der gemeinsamen Betriebsversammlung des Dyckerhoff Werkes Lengerich und der Calcis Lienen GmbH & Co.KG. vor ein paar Wochen noch einen gewissen Zweckoptimismus, was die geplante Schließung von Calcis betrifft, verpasste die Bezirksregierung Müns­ter den Firmen Dyckerhoff und Calcis im Rahmen der Podiumsdiskussion in Lienen einen Dämpfer. 

Die Aula der Hauptschule Lienen war bis auf den letzten Platz gefüllt. Über 200 Interessierte nahmen an der Informationsveranstaltung am vergangenen Donnerstag teil. Gunhild Wiering und Ralf Weidmann von der Bezirksregierung Münster eröffneten das Podium. Sie gewährten den Anwesenden Einblicke in das laufende Verfahren „Regionalplan Münsterland – Sachlicher Teilplan Kalkstein“. Diese dürften unter den Befürwortern des weiteren Kalkabbaus für eine gewisse Ernüchterung gesorgt haben. Denn das Fazit der Abweichungsprüfung für den Teutoburger Wald lautete: 1. Das Gewicht des öffentlichen Interesses ist gegenüber dem Integritätsintresse des FFH-Gebietes nur gering. 2. Die erhebliche Prognoseunsicherheit in Bezug auf das Zutreffen des angenommenen öffentlichen Interesses im Jahre 2038 geht zu Lasten des Vorhabens. Und 3. Zwingende Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses werden daher auch unter Einbeziehung kohärenzsichernder Maßnahmen nicht gesehen. 

Bereits nach einer Verträglichkeitsprüfung in 2014 war die Bezirksregierung Münster zu dem Schluss gekommen, dass eine Erweiterung der Abgrabungsflächen im Teutoburger Wald nicht in Aussicht gestellt werden konnte.
Die daraufhin von Calcis und Dyckerhoff eingereichten Gutachten und Einwände hatten daran nichts geändert. „Wir wollen nun eine Entscheidung herbeiführen, die rechtlich Bestand hat“, hieß es von den Vertretern der Bezirksregierung Münster.

Bezirksregierung Münster: „Die Situation ist kompliziert“

Ralf Weidmann von der Bezirksregierung Münster fasste das recht diffizile Verfahren so zusammen: „2013 wurde bereits die Entscheidung getroffen, dass wir eigentlich keine Chancen sehen, für Dyckerhoff und Calcis weitere Flächen auszuweisen.“ Man sei Ende letzten Jahres zu dem Ergebnis gekommen, alle relevanten Gesichtspunkte erfasst zu haben. Diese seien in einem ersten Entwurf bewertet und in einem Erarbeitungsbeschluss an den Regionalrat gegeben worden. Der sehe im Ergebnis vor, dass Dyckerhoff und Calcis keine weiteren Abbauflächen zu Verfügung gestellt werden können.

Kein gesamtwirtschaftliches Interesse

Ein gesamtwirtschaftliches Interesse in puncto Calcis sehe die Bezirksregierung Münster derzeit nicht, da der in Holperdorp liegende Stein für die nächsten 35 Jahre auch in ausreichender Menge bei Dyckerhoff in Höste vorhanden sei. Die darauffolgenden Anregungen aus dem Publikum, Dyckerhoff solle doch Calcis einen Teil seines Höster-Steinbruchs verkaufen, wurden von beiden Firmenvertretern entschieden abgelehnt. „Der Transport von Höste nach Holperdorp ist unwirtschaftlich“, hieß es von Calcis-Geschäftsführer Detlev Wegner. Außerdem habe man im Vorgriff auf die erhoffte Genehmigung unter anderem 40 Hektar Wald aufgeforstet. Der Standort Höste stehe auch gar nicht zur Disposition, sondern werde als „strategische Reserve“ betrachtet, machte Dyckerhoff Werksleiter Franz-Josef Barton deutlich.
Calcis und Dyckerhoff riefen immer wieder ihr gemeinschaftliches Engagement in Sachen Naturschutz auf den Plan: Die Renaturierung der Abbaugebiete, ihr Engagement in der IG Teuto sowie die Finanzierung der Schafherde zum Erhalt der Kalkmagerrasenflächen.
Für Zündstoff sorgte das Thema Grundwasser. Naturschützer sowie einige Bürger befürchten, dass vom Kalkabbau wasserführende Gesteinsschichten betroffen sein könnten. Dadurch sei eine Gefährdung des Grundwassers möglich. Man tappe hier aber immer noch im Dunklen, denn Dyckerhoff weigere sich offenbar seit zwei Jahren, die Umweltinformationen herauszugeben. Das Zementwerk beruft sich dabei auf Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse.
Per Wasner, Werksleiter Calcis, versuchte zu beruhigen: „Durch den Kalkabbau sind keine Beeinträchtigungen des Grundwassers zu erwarten“, und bezog sich dabei auf diverse Gutachten.

Bagger schlucken jedes Jahr 1 Hektar Land

Die Naturschützer sind aber sauer, dass die Firma Calcis trotz Naturschutzvorgaben immer wieder das Abbaugebiet erweitern will. Ihrer Ansicht nach liege die Zukunft von Lienen nicht im Abbaggern des Berges, sondern vielmehr im „sanften“ Tourismus und in der Entwicklung des Fremdenverkehrs. Sigrid Elling-Augé (Pro Teuto) ist zudem der Meinung, man solle den Calicis-Beschäftigten endlich reinen Wein bezüglich der Endlichkeit der Abbaumöglichkeiten einschenken. Ihr Vorschlag: Gemeinsam mit den Firmen die derzeit stabile Arbeitsmarktsituation im Münsterland nutzen und einen sozialverträglichen Umbau der Kalkindustrie vor Ort angehen.

Zu Wort meldete sich im Anschluss an die vorangegangenen Beiträge Rainer Seidl, ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Tecklenburger Land (ANTL): „Die Kalkindustrie ist für mich kein Feindbild.“ Allerdings stehe man vor dem Scherbenhaufen des Kalk-Gutachtens von 1990. Dabei seien grundsätzliche Bedingungen, wie die Einrichtungen eines runden Tisches und die Zusage zur sozialverträglichen Beendigung im Jahr 2027 nicht erfüllt worden. 

CDU-Fraktionssprecher Michael Stehr appellierte an Franz-Josef Barton: „Bitte fassen Sie den Kamm nicht an und erhalten Sie die schöne Silhouette unseres Teutoburger Waldes.“

Ende des Jahres wird der Regionalrat entscheiden, wie es mit dem umstrittenenen Kalkabbau weitergeht. Vorher ist die Gemeinde Lienen aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Diese wird im Anschluss von der Bezirksregierung ausgewertet.

Gegenwärtig ist es schwer vorstellbar, dass die Bezirksregierung Münster ob ihrer vorangegangenen Entscheidung doch noch einmal zurückrudern wird.

Volles Haus in der Aula der Hauptschule Lienen. Über 200 Interessierte nahmen an der Podiumsdiskussion teil.

 

Die Bezirksregierung Münster will eigentlich keinen weiteren Eingriff in das Naturschutzgebiet erlauben. Fotos: Bettina Stockhausen-Rolek


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