Ich habe auch meine Grenzen kennengelernt!

Der Ausflug mit Bewohnern des Franz Wolters-Hauses zum Meer nach Zandvoort gehörte zu den Höhepunkten des FSJ von Cellina Tollknäpper (2.v.r.). Foto: Caritas

Emsdetten

Neuenkirchen (cpr). Freiwilligendienste in der karitativen Arbeit bieten die Möglichkeit, sich beruflich und persönlich zu orientieren und soziale Kompetenzen zu stärken. Diese Möglichkeiten nutzte auch Cellina Tollknäpper, die nach ihrem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Franz Wolters-Haus des Jacob Meyersohn-Wohnverbundes der Caritas Rheine absolviert hat.

Ihre Beweggründe und Erfahrungen schildert sie in dem nachfolgenden Artikel.  „Die Abi-Phase war schon voll zu Gange und jeder in meinem Umkreis hatte einen genauen Plan, was er anschließend machen wird. Ehrlicherweise hatte ich den auch, allerdings stand ich, oder besser gesagt meine Noten, mir selber im Weg, diesen zu ermöglichen. Ein Psychologiestudium oder der Bereich der sozialen Arbeit: Allerdings war ich mir nicht ganz so sicher, ob dies genau zu mir passt. Einige Zeit später fand ich einen Artikel über einen Freiwilligendienst. Man würde sehr viel lernen. Nicht nur Praktisches, sondern auch über sich selber. Man würde ein Jahr in einem sozialen Bereich arbeiten, um erst einmal zu begreifen, ob das überhaupt etwas für einen ist. 

Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, entschied ich mich dazu, ein FSJ zu beginnen. Ich meldete mich bei der Caritas Rheine, erkundigte mich nach Einsatzstellen in meiner Nähe und entschied mich dafür, meine Bewerbung an das Franz Wolters-Haus in Neuenkirchen zu senden. Und seit elf Monaten arbeite ich nun hier.

Als ich anfing, hatte ich zunächst keine großen Erwartungen. Ich wusste nur, dass eine große Hürde auf mich zukommen würde, da ich noch nie in einem Wohnheim, geschweige denn mit Menschen mit Behinderung, gearbeitet habe. Allerdings sah ich es auch als Chance, mich weiter zu entwickeln und mich und mein Können ein bisschen besser kennenzulernen. Die ersten zwei Monate waren sehr stressig. Als Schülerin war ich so einen Arbeitsalltag nicht gewohnt. Ich nahm an sehr vielen Fortbildungen und Infoveranstaltungen teil. Zudem wurde ich in sehr vielen Dingen eingearbeitet.

Viele Menschen haben mich gefragt ,Was machst du da eigentlich?‘.

Meine Antwort lautete dann immer: ,Menschen beim Leben unterstützen.‘ Das Grundprinzip des Jacob-Meyersohn-Wohnverbundes besteht darin, dass die Bewohner ein selbstständiges Leben führen, bei dem die Mitarbeiter sie begleiten, ob im Haushalt, bei der Pflege oder der Freizeitgestaltung. Auch Ausflüge, Fahrradtouren, Spaziergänge, Shoppen oder Konzert-Besuche gehörten zum Programm. Mein persönliches Highlight war der Kurzurlaub in Zandvoort in Holland, den ich begleiten durfte.

In den letzten elf Monaten habe ich sehr viel gelernt und Seiten an mir entdeckt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ein einfaches Beispiel: Ich war sehr ungeduldig. Wenn jemand zu spät kam, wenn etwas nicht sofort geklappt hat oder auch mit mir selber. Ich konnte nicht warten. In der FSJ-Zeit habe ich gelernt, dass nicht immer alles sofort klappt, mal jemand nicht so möchte wie ich möchte oder dass ich manche Dinge auch nicht so schnell kann wie andere Menschen. Zudem habe ich meine Grenzen kennengelernt.

Dies war besonders in Pflegesituationen der Fall. Auf einige konnte ich mich einlassen. In anderen Fällen konnte ich mich nicht überwinden und habe eine Grenze gesetzt, die von jedem Mitarbeiter und Bewohner akzeptiert wurde.

An den einwöchigen Seminaren, die alle zwei Monate stattfinden, nehmen rund 70 FSJ‘ler aus dem Bistum Münster teil. Dort können sie sich über die Situationen und unser Befinden in der Einsatzstelle austauschen. Auch Workshops, wie ,Behinderung selber erleben‘ oder ,Der Umgang mit Tod und Trauer‘ werden angeboten.

Da ich in meiner Gruppe das Amt der Sprecherin angenommen habe, durfte ich noch an weiteren Fortbildungen teilnehmen, wie zum Beispiel dem Polit-Talk in Münster. Dort haben wir mit Politikern verschiedenster Parteien darüber gesprochen, was das FSJ-Leben erleichtern würde. Hier fällt mir zum Beispiel ein FSJ-Ticket, ähnlich wie das Studententicket ein.
Das Jahr war sehr aufschlussreich für mich.

Vieles Neues kam dazu und ich konnte jetzt schon ein bisschen Berufsluft schnuppern. Ob ich jetzt eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich absolvieren werde? Nein. Ich war vor meinem FSJ der festen Überzeugung, dass ich in diesem Bereich arbeiten möchte.

Allerdings habe ich festgestellt, dass ich viele Qualifikationen nicht besitze oder nicht entwickeln kann, die man bräuchte, um einen sozialen Beruf ausüben zu können. Dafür habe ich viele andere Dinge lernen können, die mir in meiner weiteren Ausbildung helfen werden. Ob ich das FSJ bereue, weil ich sowieso nichts Soziales machen werde?

Auf keinen Fall! Es hat mir so viele schöne Momente geschenkt, die ich nie vergessen werde. Ich konnte an mir selber und an Aufgaben wachsen. Ich habe so viele neue Menschen kennengelernt, die ich auch so schnell nicht vergessen werde.“


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