„Wo wäre Jesus heute geboren?“

Flüchtlingskrippe: Keine traditionelle, sondern eine Flüchtlingskrippe mit Boot, Lampedusa-Kreuz und bald auch Sternsingern erwartet die Besucher ab Heiligabend bis zum 11. Januar in St. Georg in Saerbeck. Foto: privat

Emsdetten

Saerbeck. Behutsam stecken die Schüler der St. Georg-Grundschule in Saerbeck ihre schlichten, aus zwei Holzstöckern zusammengebundenen Kreuze in den Sand.

 

Vor dem großen Lampedusa-Kreuz des Bistums Münster, das seit wenigen Tagen zur Ausstattung der Flüchtlingskrippe in der Saerbecker Pfarrkirche gehört, fallen sie dem Besucher sofort ins Auge.

„Eure gebastelten Kreuze erinnern in unserer Krippe jetzt an all die Menschen, die auf ihrer Flucht gestorben sind“, erklärt Pfarrer Peter Ceglarek den rund 45 Schülern, die sich auf die Erstkommunion vorbereiten. Direkt neben den kleinen Kreuzen brennt das Friedenslicht von Bethlehem in einer großen Laterne. „Es ist ein Zeichen der Hoffnung für die vielen Menschen, die sich auf der Flucht befinden“, sagt Ceglarek. Es ist eine ganz besondere Krippe, die das 15-köpfige Krippenteam rund um Pfarrer Ceglarek in den vergangenen Tagen in der Kirche aufgebaut hat.

Einen Stall mit einer Futterkrippe und Stroh sucht man vergeblich. Stattdessen findet man ein großes, altes Boot auf blauer Plane treibend, darauf Maria und Josef mit dem Jesuskind, afrikanische Frauen und Männer, ein verletzter junger Mann mit Gipsbein und gebrochenem Arm sowie eine alte Dame mit einem Kind in traditioneller westfälischer Kleidung. Die wandfüllende Fotografie im Hintergrund der Krippenlandschaft – ein überfülltes Boot mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer – zeigt die Realität der vergangenen Monate.

Die Verbindung dieser beiden Darstellungen sei Absicht, erklärt Pfarrer Ceglarek. Die Grundidee stamme zwar von ihm, an der Umsetzung und Durchführung aber seien so viele Hände beteiligt, dass er gar nicht alle aufzählen könne. „Es ist eine Krippe im Werden“, sagt er. So habe beispielsweise ein Kirchenvorstandsmitglied das Boot zur Verfügung gestellt, die Plane ein ortsansässiger Bauunternehmer und das Foto ein engagiertes Gemeindemitglied. Besonders dankbar ist Ceglarek für das Lampedusa-Kreuz, eine Leihgabe des Bistums. Lampedusa ist die kleine Insel im Mittelmeer, rund 200 Kilometer südlich von Sizilien gelegen, auf der hunderttausende Menschen in den letzten Jahren angekommen sind. Das Lampedusa-Kreuz ist aus dem Holz dieser Flüchtlingsboote geschnitzt. Mit diesem Symbol möchte die Akademie Franz Hitze-Haus in Münster auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam machen und verleiht das Kreuz an Pfarreien, Verbände und andere kirchliche Einrichtungen, die einen Bezug zum Flüchtlingsschutz haben.

„Wo wäre Jesus heute geboren? Diese Frage haben wir uns gestellt und versuchen, sie mit dieser Darstellung zu beantworten“, erklärt Norbert Leiting, ehrenamtlicher Sprecher des Krippenteams. Bei regelmäßigen Treffen hätten die Mitglieder Elemente gesammelt, die nach und nach in das Konzept der Flüchtlingskrippe integriert werden konnten. „Wir möchten das damalige Geschehen in Bethlehem ‚verheutigen‘, also in unser Weltgeschehen übersetzen“, fügt Ceglarek hinzu. In den ersten Tagen des neuen Jahres würden darum auch nicht die Heiligen Drei Könige zur Krippe eilen, sondern drei Kinderkrippenfiguren als Sternsinger verkleidet, die Botschaft der Geburt Jesu in die Welt bringen – mit Stern, Sammeldose und Aldi-Tüte.

Zum Schluss bringt eine der Grundschülerinnen die Botschaft dieser besonderen Krippe auf den Punkt: „Es ist egal, ob Jesus in einem Stall oder auf einem Boot geboren wurde. Er wird jedes Jahr in unserem Herzen geboren.“

Die etwas andere Krippe in der Pfarrkirche St. Georg in Saerbeck kann ab dem Heiligen Abend bis zum 11. Januar besucht werden.


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