Der Wald wird sehr, sehr anders aussehen...

Auf dem Foto (v.l.) Revierförster Dr. Georg Berkemeier und Forstarbeiter Heinz Martin. Der forstwirtschaftliche Lohnunternehmer fällt hier oben auf einem der Hänge des Teuto die Fichten und rückt die Stämme mit seinem Holzernter zu den Polterplätzen. Foto: Podszun

Überregional

Kreis Steinfurt / Tecklenburger Land (hp). Wer in diesen Tagen durch die Wälder im Kreis Steinfurt geht, dem fallen zwei Dinge auf: die unglaublichen Mengen geschlagenen Fichtenholzes an den Wegrändern und das Dröhnen der Motorsägen.

Den Forstarbeitern bleibt jetzt nur wenig Zeit. Sobald es 16 Grad und wärmer wird, verlassen die frisch geschlüpften Borkenkäfer die massenhaft von ihnen befallenen Fichten, paaren sich und greifen neue Wirtsbäume an. Darum müssen die Fichten raus aus dem Wald. Früher oder später alle.

Auf einem der Höhenzüge des Teutoburger Waldes zwischen Lienen und Bad Iburg führt uns Revierförster Dr. Georg Berkemeier vom Regionalforstamt Münsterland durch die Fichtenbestände – oder treffender: durch das, was noch von ihnen übrig ist. Hier oben ist jede einzelne Fichte vom Borkenkäfer befallen, stirbt ab oder ist bereits abgestorben. Ursache: der Klimawandel.

Oben am Hang treffen wir auf Heinz Martin, der als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer im Auftrag des Forstamtes mit dem Holzernter die toten und sterbenden Fichten fällt. Mit dem Holzgreifer packt die Maschine die entasteten Stämme in die Klemmbank seiner Maschine und „rückt“ sie anschließend zum Polterplatz.

Auf dem Platz werden sie maschinell auf Länge gebracht und zu Poltern gestapelt. Der Großteil des Holzes wird exportiert: nach China.

„Wer den Klimawandel sehen will, muss nicht in die Arktis fahren und sich schmelzende Gletscher anschauen. Den Klimawandel können Sie überall im Wald ganz deutlich sehen“, erklärt Georg Berkemeier.

Denn nicht nur die Fichten hat es getroffen – auch die gegen Trockenheit weit weniger empfindlichen Buchen sind teils geschädigt und haben mit den heißen Sommern zu kämpfen. „Sechzig Prozent der Bäume hier oben sind Buchen“, erklärt Georg Berkemeier. „Denen geht es trotzt einiger Hitzeschäden noch vergleichsweise gut“, stellt er fest, aber „vierzig Prozent der Bäume hier sind Fichten. Und die müssen alle weg.“ Aufgeforstet wird später mit verschiedenen Laub- und Nadelbäumen, damit ein gesunder Mischwald entsteht, in dem zumindest einige Baumarten die Klimaerhitzung überstehen werden.

Fichten lieben es kühl und feucht

Die Fichte allerdings zählt nicht dazu. Denn dass der Klimawandel die Fichten zuerst trifft, ist kein Zufall. Fichten haben es gerne kühl und feucht und bevorzugen in Deutschland die Höhenlagen der Mittelgebirge und der Alpen. Von Natur aus wüchsen Fichten nicht im Kreis Steinfurt und im Tecklenburger Land. Auch ohne die Klimaerhitzung laufen Fichten dort, wo sie außerhalb ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete kultiviert werden, ständig Gefahr, vom Borkenkäfer befallen zu werden. Schon ein einziges zu trockenes Jahr reicht aus, die Abwehrkräfte der Fichten so sehr zu schwächen, dass sie den Käfern wenig entgegensetzen können. Kommt es zu einer Massenvermehrung der Käfer wie jetzt nach den zwei Dürresommern, können selbst kerngesunde Fichten einem massiven Befall nicht entgehen.
„Der Wald wird sehr, sehr anders aussehen“, erklärt Georg Berkemeier, gefragt, was die Zukunft bringen wird.

In Deitmars Brook gibt es noch Fichten

Etwas besser sieht es aus im Revier von Revierförsterin Tina Schumann, mit der wir gemeinsam durch das Waldgebiet Deitmars Brook bei Emsdetten gehen. „Der Begriff Brook steht für einen Bruchwald“, erklärt die Försterin, „das ist eigentlich ein permanent nasser, sumpfiger Wald.“ Eigentlich: Denn nass oder sumpfig ist es nach den beiden Dürresommern hier nirgends mehr. Dennoch fanden die Fichten auch im vergangenen Sommer noch genügend Wasser, um sich stellenweise gegen den Borkenkäfer behaupten zu können. Aber auch hier finden sich große Flächen im Wald, an denen der Käfer gewonnen hat und wo jetzt rigoros gefällt wird. „Wir müssen verhindern, dass der Borkenkäfer in die – noch – gesunden Bestände geht“, erklärt sie.

Wegen des Überangebotes an Fichtenholz erlösen die Waldbesitzer derzeit nur noch etwa ein Sechzehntel des normalen Preises. Möglichst viele der gesunden Fichten sollten tunlichst erst in den kommenden Jahren gefällt werden, wenn sich der Preis fürs Holz hoffentlich wieder erholt hat.

Neben Fichten wachsen in Tina Schumanns Revier Buchen, Eichen, Lärchen, Pappeln und Birken. Eigentlich eine gesunde Mischung. Aber auch diesen Arten haben Hitze und Trockenheit der letzten beiden Jahre teils zugesetzt. „Eigentlich“: Dieses Wort benutzt Tina Schumann sehr häufig während unseres Ganges durch den Forst. „Denn ‚eigentlich‘ könnten zum Beispiel Eichen einen zu trockenen Sommer gut überstehen“, erklärt sie. „Wenn aber die Bäume dann im nächsten Jahr noch vom hitzeliebenden Eichenmehltau und zugleich dem Eichenprozessionsspinner befallen werden, dann wird es auch für sie eng.“

Buchen wären normal für Deutschland

Ließe man den Wald ungestört wachsen, hätten wir bei uns sommergrüne Laub- und Mischwälder, in der Buchen die vorherrschenden Bäume wären. Die Wirklichkeit sieht (oder sah) anders aus: Nur rund 38 Prozent der Wälder sind Laubwälder, 62 Prozent Nadelwälder, und hierunter dominieren reine Fichtenwälder mit fast 30 Prozent, gefolgt von Kiefern mit 23 Prozent.

Diese Zahlen sind allerdings mit großer Vorsicht zu genießen, denn sie stammen aus der letzten Bundeswaldinventur im Jahr 2012. Wie es wirklich um den deutschen Wald bestellt ist, werden wir erst im Jahr 2023 wissen. Am 1. April 2021 beginnt die vierte Bundeswaldinventur. Bis zum 31. Dezember 2022 sind die Daten zu erheben und an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu übermitteln. Bis dahin werden alle Fichten am Teuto im Revier von Georg Berkemeier längst gerodet sein. Und wie sich die Bestände im Brook entwickeln werden, darüber entscheiden die kommenden Sommer.

Revierförster Dr. Georg Berkemeier zeigt, wie massenhaft die Fichten von den Larven des Borkenkäfers befallen sind. 

Trauriges Bild an den Waldwegen: Massenhaft geschlagenes Fichtenholz wartet auf den Abtransport. Die Holzpreise sind ins Bodenlose gefallen. 

Ein vom Borkenkäfer befallener Fichtenbestand in Deitmars Brook bei Emsdetten.

Holzernter bei der Arbeit im Brook. In einem einzigen Arbeitsgang wird gefällt, entastet und auf Länge gebracht. Bäume fallen im Minutentakt.

Försterin Tina Schumann zeigt eine der Flächen im Brook, von denen die Fichten schon verschwunden sind. Aufgeforstet wird hier unter anderem mit Douglasien (direkt hinter dem Wildzaun zu sehen). Diese mit den Fichten verwandte Nadelbaumart erträgt Hitze und Trockenheit besser als die Fichte und wird nicht vom Borkenkäfer befallen. Fotos: Podszun

 


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